Religionsgeschichte
Belarus ist ein Land vieler Konfessionen. Gegenwärtig sind 26 verschiedene Glaubensrichtungen in Belarus vertreten, wobei allein 15 davon Abwandlungen des Protestantismus sind. Die absolute Mehrheit an Gläubigen hat dabei, mit 1224 Gemeinden, die orthodoxe Kirche, gefolgt von der evangelischen Kirche mit 491 Gemeinden und der katholischen Kirche mit 432 Gemeinden. Auch der Islam wird durch 27 Gemeinden, sowie das Judentum durch 25 Gemeinden, repräsentiert. Darüber hinaus leben in Belarus zusätzlich unierte Katholiken, Lutheraner, Anhänger Krishnas, sowie Anhänger diverser anderer Glaubensrichtungen.
Diese religiöse Vielfalt hat ihren Anfang in der Tiefe der belarussischen Geschichte. Das moderne Weissrussland liegt an der Kreuzung zweier gegensätzlicher Traditionen und Kulturen. Der Osten trifft hier auf den Westen und die Traditionen verschmelzen.
Das Heidentum galt bis zum 10. Jahrhundert als einzige Konfession in Belarus und konnte, trotz zahlreicher Versuche der Christianisierung lokaler Fürsten, noch lange neben dem Christentum koexistieren. Einige der heidnischen Bräuche, unter anderem Feste wie Masleniza, Kaljady oder Kupalje, sind auch heute noch in der belarussischen Kultur zu finden. Im Jahr 988 ließ sich Fürst Wladimir I. nach byzantinischem Ritus taufen und erklärte das Christentum zur Staatsreligion. Durch diesen politischen Schachzug konnte der Fürst die Bindung zum byzantinischen Kaiserhaus festigen.
Im Anschluss an die Taufe von Wladimir l. wurden zahlreiche Kathedralen gebaut und im Laufe der Zeit schlossen sich eine Vielzahl von belarussischen Gläubigen der byzantinisch-orthodoxen Kirche an. Im Jahr 992 wurde dann das erste Bistum in Polozk gegründet.
In den ostslawischen Gebieten wurde die Struktur der orthodoxen Kirche übernommen was zur Folge hatte, dass die Glaubensgemeinschaft sich zu einer eigenen gesellschaftlichen Institution entwickelte.
Im Jahr 1472 wurde die orthodoxe Kirche des Großfürstentums Litauen kanonisch vom ökumenischen Patriarchen, dem orthodoxen Bischof von Konstantinopel, anerkannt.
Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert wurden circa 40 orthodoxe Kirchen und Klöster gebaut, welche sich zu den wichtigsten Zentren des religiösen Lebens, der Bildung, sowie der Ikonenmalerei entwickelten.
Als im Jahr 1596 die Kirchenunion von Brest geschlossen wurde, brachen für die orthodoxe Kirche des Großfürstentums Litauen schwere Zeiten an. Die Union verordnete, dass die orthodoxe Kirche sich dem katholischen Glauben anpassen sollte, der auf byzantinischer Tradition basierende Gottesdienst durfte noch in slawischen Sprachen abgehalten werden. Zudem musste sich die orthodoxe Kirche dem Papst unterordnen. Nicht alle Gläubigen waren bereit, diesen Weg einschlagen. Eine Spaltung der Kirche war das Resultat, welche zur Folge hatte, dass Anhänger des orthodoxen Glaubens verfolgt wurden. Durch diesen Umbruch in der Geschichte der Kirche wurde eine neue Konfession ins Leben gerufen. Die Glaubensrichtung der unierten Katholiken. Diese sind zwar Anhänger des katholischen Glaubens, stehen aber in ihrer Tradition der orthodoxen Kirche sehr nahe.
Im Jahr 1632 wurde der orthodoxe Glauben im Großfürstentum Litauen und in Polen wieder anerkannt. Unmittelbar auf diese Bewilligung der Regierung folgte die Gründung vierer Eparchien (Eparchie: Diözese in der orthodoxen Kirche) in den ukrainischen Städten Lutz und Lwiw, der polnischen Stadt Przemysl, sowie in der belarussischen Stadt Mogiljow. Das Bistum von Mogiljow war, ab der Mitte des 17. Jahrhunderts das einzige in der Rzeczpospolita, dem Staat Polen-Litauen. Drei Teilungen Polens konnten die rasante Entwicklung der orthodoxen Kirche nicht stoppen, welche einen großen Einfluss im Russischen Imperium hatte. Im Jahr 1914 gab es bereits 3552 orthodoxe Kirchen, sowie 35 Klöster in Belarus.
Die Oktoberrevolution von 1917 schmälerte den Einfluss der orthodoxen Kirche in der Gesellschaft, welche dann in den 1930er Jahren, ebenso wie sämtliche andere Konfessionen, furchtbaren Repressalien unterworfen wurde. Die Kirchen wurden geschlossen und zum Teil in Kinos, Archive und Parteiorganisationen umfunktioniert. Bei Anbruch des zweiten Weltkrieges war kein einziges Gotteshaus in Minsk mehr zugänglich. Priester aller Konfessionen wurden verfolgt und oftmals verbannt.
Erst in den 1980er Jahren begann ein religiöses Wiederaufleben, im Jahr 1989 wurde das weißrussische Exarchat des Moskauer Patriarchates gegründet.
Geht man von der Zahl der Anhänger aus, ist die römisch-katholische Kirche die zweitgrößte Konfession in Belarus. Erstmals wurde der Katholizismus Ende des 14. Jahrhunderts in Belarus erwähnt, als der Großfürst von Litauen und König von Polen, Jogaila, im Jahr 1387 die Diözese von Wilna gründete. Diese erstreckte sich fast gänzlich auf belarussischem Territorium. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wurden 259 Pfarrämter gegründet und es entstanden mit dem Franziskanerorden (Lida, Aschmjany, Minsk), dem Augustinerorden (Brest) und dem Bernhardinerorden (Polazk), die ersten katholischen Mönchsorden in Belarus. In der Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert gab es 18 Mönchs- und sieben Nonnenorden in Belarus, hierbei trat vor allem die katholische Gesellschaft Jesu, auch Jesuiten genannt, in den Vordergrund. Diese Ordensgemeinschaft entwickelte nicht nur ein fortschrittliches Schulsystem, sondern instituierte auch ein großes Netzwerk aus diversen Schulen verschiedener Bildungsebenen. Zu den gegründeten Bildungszentren des Ordens gehörte unter anderem auch die Akademie von Polozk, welche zu den größten Bildungseinrichtungen Europas zählte. Im Jahr 1773 löste der Papst den Orden zwar auf, doch Katharina die Zweite erlaubte dessen Fortführung im Russischen Imperium. Obwohl der Orden und seine Institutionen im Jahr 1820 dann auch im Russischen Imperium verboten worden waren, können dessen Spuren auch noch heute in Belarus gefunden werden.
Eine ebenfalls große Rolle spielte der Bernhardinerorden in Belarus. Bis heute ist sein Erbe in dem kleinen Dorf Budslau zu bewundern, dessen Kirche „Maria Himmelfahrt“ auch gegenwärtig noch von Mönchen des Bernhardinerordens geführt wird. Trotz ihrer Nähe zur Front, blieb die Kirche auch im Ersten Weltkrieg erhalten. Das Gotteshaus trägt den Ehrentitel „Basilica minor“. Ein Titel, den der Papst persönlich an bedeutende Kirchengebäude vergibt. Zudem befindet sich in der Kirche die Ikone der Mutter Gottes, die nicht nur Wunder bewirken, sondern das Dorf und das Gotteshaus selbst vor Schicksalsschlägen beschützen soll. Dank dieser Ikone und ihrer Geschichte zieht Budslau gleichermaßen Pilger aus Weißrussland, sowie Wallfahrer aus Polen, Russland, Litauen und anderen Ländern, in seinen Bann. Aber auch der aus dem frühen Barocks des 17. Jahrhunderts stammende Holzaltar der Kirche zieht Gläubige aus zahlreichen Ländern nach Budslau.
Nach der Angliederung von Belarus an das Russische Imperium wurde 1773 die erste belarussische Diözese in der Stadt Mogiljow gegründet. Weil katholische Geistliche sich im 19. Jahrhundert aktiv an der nationalen Freiheitsbewegung beteiligten, wurden sie von der zaristischen Regierung verfolgt, als Folge wurde der katholische Glauben schließlich verboten. Nach der Oktoberrevolution von 1917 unterschied sich die Situation der katholischen nicht mehr sonderlich von der der orthodoxen Kirche. Beiden Glaubensbewegungen wurde großer Schaden zugefügt. Im westlichen Teil von Belarus, Bestandteil Polens, stellte sich die Situation anders dar. Der katholische Glaube war hier tiefverankert, weshalb dorthin auch viele katholische Priester aus Russland flohen.
In den 1980er Jahren wurde wieder eine belarussische Diözese gegründet, seit 1991 existieren drei römisch-katholische Diözesen in Belarus, ansässig in Grodno, Minsk und Pinsk. Nach letzten Angaben gibt es in Belarus 438 Gemeinden.
Die Reformation ging auch an Belarus nicht spurlos vorüber. Die einflussreichste Reformationsbewegung war der Calvinismus, dessen erste Gemeinde 1533 in Brest entstand. In den calvinistischen Gemeinden wurden Schulen, Krankenhäuser und Druckereien eröffnet und im Jahr 1565 wurde die Glaubensbewegung dann mit der orthodoxen und der katholischen Kirche gleichgestellt. Nikolaus Radziwill, auch der Schwarze genannt, galt gemein hin als religiöses Oberhaupt des Calvinismus. Sein Ziel war es den Schlachta, den polnischen Hochadel, durch den Glauben zu vereinen.
Im Großfürstentum Litauen wurde das Judentum erst im Jahr 1389 als eigene Konfession anerkannt, als Großfürst Vytautas ein Privileg zu Gunsten der Juden von Grodno bewilligte. Dieses besagte, dass die Synagoge und der Friedhof von diesem Zeitpunkt von der Steuer befreit waren.
Der Islam wurde vor allem durch die tatarische Bevölkerung vertreten. [BILD: Moschee in Iwje) Nachdem der tatarische Khan Toktamisch 1395 von Khan Timur besiegt wurde, fand dieser Zuflucht im Großfürstentum Litauen. Der Großfürst Vytautas nahm Khan Toktamisch und dessen Höflinge auf und siedelte sie in der Stadt Lida an. Als Gegenleistung dafür, dass die Tataren Vytautas halfen gegen die Kreuzritter zu kämpfen, durften diese auch ihre Familien nach Belarus umsiedeln und so begann der Islam sich in Belarus zu etablieren. Im Jahr 1591 lebten circa 100.000 Tataren, welche größtenteils Sunniten waren, in Belarus. Jedoch sank die Zahl der tatarischen Muslime im 18. Jahrhundert in Belarus auf circa 30.000. Um ihre Kultur zu bewahren, bildeten die Tataren geschlossene Gruppen, deren größte Gemeinde noch heute in Iwje besteht.
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