Geografie
In Belarus prahlt man gern damit, dass das Land im Zentrum Europas liegt. Auf der politischen Landkarte gehört Belarus eher zu Osteuropa und gilt als wichtiges Verbindungsglied, wo zentrale Wege zwischen Europa und Asien zusammenlaufen. Die Republik Belarus grenzt an fünf Nachbarstaaten: an Russland im Osten und Nordosten, an die Ukraine im Süden, an Polen, Litauen und Lettland im Westen und Nordwesten.
In Belarus gibt es keine hohen Berge, das Land hat keinen Meerzugang. Dennoch verblüfft es mit flachen, endlos erscheinenden Weiten, dichten Wäldern und wasserreichen Seen und Flüssen.
Das Territorium von Belarus befindet sich im westlichen Teil der Osteuropäischen Ebene. Das Relief von Belarus ist vorwiegend flach und hügelig, die durchschnittliche Höhe liegt bei 160 Metern über dem Meeresspiegel. Anhöhen machen etwa ein Fünftel des Landes aus, der Rest besteht zu 80 Prozent aus Niederungen und Ebenen. Die am höchsten gelegenen Regionen liegen im Zentrum des Landes, Richtung Norden und Süden sinkt das Relief allmählich ab. Der höchste Gipfel des Landes ist mit 345 Metern über dem Meeresspiegel der Gora Dzerzhinskaja. Die Erhebung befindet sich westlich von Minsk, in der Nähe der Kleinstadt Dzerzhinsk. Das am tiefsten gelegene Gelände liegt im Tal des Flusses Neman (Memel), an der Grenze zu Litauen. Die Höhe dort liegt bei 80-90 Meter über dem Meeresspiegel. Die weite und flache Oberflächenausdehnung begünstigt Ansiedlungen, die landwirtschaftliche Erschließung, sowie die Errichtung von Industriebetrieben und Versorgungsleitungen.
Für die höhergelegenen Landstriche ist eine sich wandelnde Landschaft mit Sümpfen und Seen kennzeichnend. Die Hauptzüge des heutigen Reliefs sind durch die Auswirkungen der Eiszeiten entstanden. Im nördlichen Teil des Landes befindet sich das belarussische Poozerje (vom russischen Wort „Ozero“,der See, abgeleitet) mit einem relativ jungen Glazialrelief, mit zahlreichen Erhebungen und Seen.
In der letzten Million Jahre haben Gletscher in der Bildung des Reliefs eine entscheidende Rolle gespielt, fünf Mal war das Gebiet des heutigen Belarus von Eismassen bedeckt. Während dieser Eiszeiten entstanden durch Gletscherbewegungen die glazialen und fluvioglazialen Formen des Reliefs (Moränenrelief).
Im zentralen Teil des Landes liegen der belarussische Höhenrücken (Fläche: 13.000 km²) und das ostbelarussische Plateau. Die beiden Landschaften bildeten sich unter dem Einfluss der letzten Eiszeit. In der Entstehung dieser Erhöhungen liegt der Ursprung der Wasserscheide zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee. Der Höhenrücken zeichnet sich durch steile Anhöhen aus, die von tiefen Flusstälern durchkreuzt sind. Die Hänge und Ebenen sind mit Wäldern bedeckt und von Mulden und Schluchten durchzogen. Neben der Stadt Orscha im Osten des Landes unweit der Grenze zu Russland liegt die Anhöhe Orschanskoe (255 Metern über dem Meeresspiegel), die allmählich in die Orschansko-Mogiljowskaja Ebene (zwischen den Städten Orscha und Mogiljow) übergeht.
Südlich davon befinden sich die Ebenen von Predpolesje und die flachen, versumpften Niederungen der Region Polesien.
Die Region Polesien erstreckt sich von der Stadt Brest ganz im Südwesten des Landes direkt an der polnischen Grenze bis zur russischen Grenze im Südosten. Das Brester Polesien ist durch Täler von 50 bis zu 300 Meter Breite gekennzeichnet, meist mit sumpfig flachem Untergrund. Die Niederungen mit 100 bis zu 150 Metern über dem Meeresspiegel im Südosten heißen Gomeler Polesien, sie zeichnen sich durch ein wellenartiges Relief aus. Auf den beiden Seiten des Flusses Pripyat befindet sich das Pripyatskoe Polesien, das sich durch große Torfmassive und flache Seen auszeichnet.
Interessant im Relief sind auch die Flusstäler. Sie sind verschiedenen Alters, ihre endgültige Form erhielten sie als sich die letzten Gletscher zurückzogen. Manche wie zum Beispiel der Fluss Düna haben tiefe, Canyon-ähnliche Täler, andere wie der Pripyat haben breite, flache Täler mit versumpften Auen.
Das Relief veränderte sich auch durch menschliche Einflüsse. In den letzten Jahrzehnten wurde es durch den Abbau und das Anlegen von Steinbrüchen, Halden, Straßendämmen, Meliorationskanälen und Stauseen bzw. der Trockenlegung von Sümpfen teils stark verändert. Außerdem beeinflussen seismische Prozesse, die auf dem Festland ablaufen, das Relief. Das Epizentrum der seismischen Aktivität in Belarus befindet sich neben dem Kalisalzlager in Starobin südlich von Minsk.
Das Territorium von Belarus weißt eine Vielzahl von unberührten feuchtbiotopischen Ökosystemen auf. Mit seinen 20.800 Flüssen, 10.800 Seen, sowie 53 Stauseen und 1.500 Teichen, bietet es zahlreiche Lebensräume für bedrohte Tiere und Pflanzen. Die Gesamtlänge aller Flüsse beträgt 90.600 Kilometer. Die belarussischen Flüsse stellen die Verbindung zwischen dem Schwarzem Meer und der Ostsee her.
Zu den größten Flüssen mit über 500 Kilometern Länge zählt man den Dnepr und seine Nebenflüsse Pripjat, Beresina und Sosch; die Neman (Memel) und ihr Nebenfluss Wilija; die westliche Dwina (Düna). Alle großen Flüsse, außer der Beresina, verlaufen grenzüberschreitend.
Nicht umsonst nennt man Belarus „blauäugig“, da man die belarussischen Seen auf der Landkarte beinahe wie blaue Augen wahrnimmt. Die größten von ihnen sind der Narotsch (79,6km² Fläche), der Oswejskoe (52,8 km² Fläche) und der Tscherwonoe (43,6 km² Fläche). Im Norden von Belarus (auf dem Belarussischen Poozerje oder auch Braslauer Seenland genannt) liegen die tiefsten und malerischsten Seen.
Dank des Potentials zahlreicher Flüsse entwickelte sich die Nutzung der Wasserkraft in Belarus stark. Dennoch können nur Niederdruckkraftwerke genutzt werden, das flache Territorium schließt andere Varianten aus.