Braslauer Schweiz
Belarus nennt man oft blauäugig. Erst aus der Vogelperspektive lässt sich diese Aussage vollständig begreifen. Im Land zählt man etwa 11.000 Seen und circa 20.000 Flüsse und Bäche. Die meisten davon liegen im Nationalpark Braslauer Seen, der eine Gesamtfläche von 183 km² umfasst. Die Dichte an Seen hier ist hier höher als beispielsweise in Finnland. Flüsse und Bäche verbinden hier die zentralen Seen miteinander, die größte Seenlandschaft besteht aus 61 Seen.
Der südliche Teil des Nationalpark ist geprägt von flachen Niederungen, Waldflächen wechseln sich hier mit ausdehnten Sümpfen ab. Wälder umfassen insgesamt eine Fläche von 31.000 Hektar. In den vorwiegend verbreiteten Nadel- und Fichtenwäldern in finden sich viele kleine malerische Waldseen. Eine der schönsten dieser Waldseen nennt sich Bozhje Oko (deutsch: Gottes Auge), der die Form eines sehr geometrischen Kreises hat. In Braslau ist der Glaube verbreitet, dass Gott durch diesen See auf die Erde sieht und auf sie aufpasst.
Die vielen Seen bescherte dem Land die letzte Eiszeit. Vor ungefähr 18.000 Jahren war dieses Gebiet noch von ausgedehnten Gletschern bedeckt. Als es langsam wärmer wurde, kam es zu gewaltigen Erosionen, die das System von Seen und sanften Hügeln bildeten Am besten lässt sich dies am Aussichtspunkt “Majak” (siehe Bild) bestaunen. Majak wird von zahlreichen Hügelkämmen umringt im Umkreis von circa 50 Quadratkilometern. Jeder der Hügel hat seinen eigenen Namen, alle zusammen bilden den Höhenzug Kesikowskie (der Name stammt vom Namen des nahegelegenen Dorfs). Majak ist der größte Hügel der Kesikowskie, seine Höhe in Bezug auf die nächstliegenden Seen ist 44,7m und auf die absolute Meereshöhe gesehen ist er 174m hoch.
Heute befindet sich auf dem Hügel eine Aussichtsplattform, von hier aus öffnet sich eine faszinierende Aussicht. Im Norden kann man die Grenze zu Lettland sehen, in der Nähe stehen der Mast eines Windkraftwerks und die Türme der Kirchen des Dorfes Plusy. Im Osten von Majak lässt sich ein Mosaik aus Hügelspitzen des Kesikowskies Höhenzuges mit ausgedehnten bewaldeten Tälern erblicken.
Im Süden zeichnen sich die Umrisse der katholischen Kirche im Dorf Ikazn und des Schlossbergs in Braslau ab. Im Vordergrund liegt der See Strusto mit seinen zahlreichen Inseln.
Im Westen lässt sich noch eine katholische Kirche sowie die bewaldete Halbinsel Perwoloka erspähen, wo es im Umfeld von Wiesen und Waldstücken sehr schön gelegene Badeplätze gibt.
In der Morgendämmerung und in den Abendstunden ist das Licht hier am besten.
Reisefans die sich von Skandinavien angezogen fühlen vergleichen diese Orte mit Finnland . Der Reiz der Braslauer Seen besteht darin, dass jeder von ihnen besonders ist und seine individuellen Züge hat, und insgesamt bilden sie einen beeindruckenden Naturkomplex.
Wie zu sehen an dem See Strusto, in dem befindet sich die zweitgrößte Insel Weißrusslands – Tschajtschin (Fläche 1,6 km²), die schon ebenso ihren eigenen kleinen See hat. Der See Wolosso ist der tiefste und sauberste See im Nationalpark. Seine Tiefe beträgt 40,4 m, das Wasser ist so klar, dass man bis zu 8m in die Tiefe blicken kann.
Die Pflanzen- und Tierwelt rund um die Seen ist mannigfaltig. Die Region beherbergt über 800 Pflanzenarten, einige von ihnen sind vom Aussterben bedroht befinden sich in der Roten Liste Weißrusslands.
In den Seen leben mehr als 30 Fischarten, fast 40% aller Vögel in Belarus nisten auf dem Territorium des Nationalparks (45 Vogelarten sind ins Rote Buch der Bedrohten Arten eingetragen). Hierunter ist vor allem der Höckerschwan (Cygnus olor) besonders hervorzuheben. Diese erhabenen Vögel waren fast schon ausgestorben, wurden jedoch vor kurzem wieder an den Braslauer Seen angesiedelt und sind nun streng geschützt. Zu weiteren seltenen Vogelarten, die an den Seen leben, gehören auch der Schwarzstorch (Ciconia nigra), der Graue Kranich (Grus grus), die Silbermöwe (Larus argentatus), das Moorschneehuhn (Lagopus lagopus), der Alpenstrandläufer (Calidris alpina), der Habichtskauz bzw. Uralkauz (Strix uralensis).
In der Tierwelt von der Kesikowskie Umgebung tauchen weiter der Europäische Dachs (Meles meles), der Eurasische Luchs oder Nordluchs (Lynx lynx), der Braunbär (Ursus arctos) auf, die ebenfalls unter Schutz stehen.
Alle diese Tiere leben im Nationalpark, dessen Herz in einer der ältesten Städte von Belarus – Braslau – liegt. Die Stadt ist von 5 Seen umgeben, der See Driwjaty ist im Nationalpark am größten.
Im Herzen der Stadt erhebt sich der Schlossberg, von dem sich vom 5. bis ins 18. Jahrhundert befestigte Siedlungen nachweisen lassen. Heute kann man die kleinen Straßen des Städtchens besichtigen. Leider fanden nur wenig Ausgrabungen statt, deswegen weiß man wenig von der Braslauer Geschichte. Jedoch ist es schon bekannt, dass die Siedlung bis zum 11. Jahrhundert den Lettgallen gehörte (ein Volk, Vorfahren moderner Letten). Mit der Ausbreitung der slawischen Völker im späten Frühmittelalter wurden die Lettgallen von jenen verdrängt. Die Stadt ist etwas jüngerer als Wizebsk oder Polozk und seit dem Jahr 1065 uns bekannt. Der Schlossberg im Stadtzentrum wurde zur Ehre des Fürsten Brjatschislaw von Polozk -lebte im 11. Jahrhundert- nach ihm benannt, hierin liegen die eigentlichen Wurzeln des Stadtnamens.
Die Geschichte der Stadt Braslau war immer mit den verschiedenen Großfürsten verbunden – Mindaugas, Gediminas, Vytautas, Alexander der Jagiellone, verbunden.
Auf der Spitze des schon erwähnten Schlossberges befindet sich ein weißer Obelisk. Der Obelisk war dem bekannten belarussischen Arzt Stanislaw Narbut gewidmet. 1906 gründete er in Braslau das am besten ausgestattete Krankenhaus, wohin Patienten aus dem ganzen Land kamen. Der Arzt hatte die Möglichkeit in eine größere Stadt umziehen, aber er blieb bis an Lebensende seiner kleinen Heimat treu.
Am Fuße des Berges sieht man die Kirche der Geburt der Gottesmutter Maria, die als hervorragendes Beispiel der Neoromanik gilt. Die moderne Kirche wurde im Jahr 1897 auf dem Fundament einer zerstörten Kirche aus dem 15. Jahrhundert errichtet. In der Sowjetzeit wurde sie lange Zeit als Lagerraum benutzt, erst im Jahr 1967 wurde sie wieder zu einem Gebetsort für die Gläubigen.
Eine weitere religiöse Sehenswürdigkeit der Stadt ist die orthodoxe Kirche Mariä Himmelfahrt, die im Jahr 1897 im pseudorussischen Stil erbaut wurde. Heute beherbergt die Kirche über 100 zum Teil sehr alte Ikonen, zu denen Gläubige aus dem ganzen Land pilgern.
Bis heute ist der Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg innerhalb der Stadt erhalten. In der Nähe findet man auch eine Gruft aus dem 19.Jahrhundert.
Die so genannte Braslauer Schweiz ist eine einzigartige Region, deren Schönheit und historischer Reichtum viele Besucher anziehen.