Minsk
Für viele ist Belarus immer noch ein weißer Fleck auf der Landkarte, Terra incognita. Dennoch überquerten in seiner bewegten Geschichte Kaufmänner, Diplomaten, Wissenschaftler, Geistliche, Handwerker und Maler aus aller Herren Länder seine Grenzen. Mancher war auf der Durchfahrt, andere blieben für immer. Zum Glück waren viele dieser Leute fleißig und führten Tagebuch, hielten Ihre Erinnerungen an das Land und das schöne Minsk in Geschichten und Berichten fest. Einiges davon wurde in der Heimat der Reisenden verbreitet, anderes ging verloren, vieles wartet immer noch in Archiven darauf entdeckt zu werden.
Das genaue Datum der Stadtgründung von Minsk ist nicht bekannt, allerdings taucht der Name der Stadt erstmals 1067 in der Nestorchronik auf. „Mensk“ oder „Menesk“ wurde dort im Zusammenhang mit den Fehden zwischen dem Polotsker Fürsten Isjaslaw und den Söhnen des Kiewer Fürsten Jaroslaw erwähnt. In der entscheidenden Schlacht am 3. März 1067 am Fluß Nemiga trug letztgenannter den Sieg davon.
Die Umgebung wo heute Minsk liegt, gehörte zu den frühsten slawischen Siedlungsgebieten. Höchstwahrscheinlich entstand Minsk als altertümliche Siedlung im 9. Jahrhundert. Archäologische Ausgrabungen belegen, dass auf dem Territorium des heutigen Minsk seit 15.000 Jahren menschliche Siedlungen existierten.
Der erste Name Name der Stadt war Menesk beziehungsweise Mensk. Es gibt mehrere Erklärungen für die Herkunft des Namens. Laut einer Sage war der Name des Stadtgründers Menesk. In einer anderen Erzählung ist vom Fluß Menka die Rede, an dessen Ufer die Stadt gestanden haben soll. Mit Sicherheit lässt sich keine der Erklärungen bestätigen, die Menka jedenfalls fließt sechzehn Kilometer weiter westlich vom modernen Minsk entfernt.
Einige Historiker sind der Überzeugung, dass der Name der Stadt von den slawischen Wörtern „mena bzw. menjat“ (мена, менять – (um)tauschen) herrührt. Diese Erklärung ist nicht abwegig, da Minsk an den Kreuzungen mehrerer Handelswege lag und seit jeher ein bedeutendes Handelszentrum war.
Die Stadt, um die es sich in der Nestorchronik handelt, befand sich auf einem Hügel südlich der Einmündung des Flusses Nemiga in den Fluss Swislotsch. Laut der Beschreibung stand auf dem Hügel eine mächtige Burg mit einem tiefen Wassergraben und einem hohen Erdwall. Dieser Stadtteil hieß Zamtschischtsche (rus. замчище – Schlossort). Auf südlicher Seite gab es ein Tor, hinter dem ein Platz, eine Kirche und fünf Wohnviertel lagen. Die Stadt breitete sich allmählich in Richtung Süden von der Burg her aus. An den Flussufern ließen sich Handwerker nieder, es bildete sich ein Marktviertel im Zentrum, der untere Markt. Später entstand noch ein oberer Markt. Die Straßen waren schmal, der meist verarbeitete Werkstoff war Holz woraus auch alle Wohnhäuser und Kirchen gebaut wurden. Im Jahr 1084 wurde die Stadt zum ersten Mal komplett zerstört. Der Kiewer Fürst Wladimir Monomach plünderte sie und brannte sie danach vollständig nieder.
Zu Beginn des 12. Jahrhunderts gehörte Minsk zum Fürstentum Polozk. Später wurde Minsk Hauptstadt und Zentrum des gleichnamigen Fürstentums, zu dem die Territorien der Swislotsch-, Drut- und Beresinabecken gehörten. Im späten 12. Jahrhundert war das Minsker Fürstentum das mächtigste Fürstentum auf belarussischem Territorium. Diese Zeit war allerdings von harten Kämpfen um die Vorherrschaft zwischen dem Minsker und dem Polotsker Fürstentum gekennzeichnet. Alle Versuche, die Fürstentümer zu vereinigen, misslangen.
Über das 13. Jahrhundert gibt es nur wenige Überlieferungen. Erst im 14. Jahrhundert begann Minsk im staatlichen Leben wieder eine größere Rolle zu spielen. 1441 erhielt die Stadt vom Fürsten Alexander dem Jagiellonen (Großfürst von Litauen, später König von Polen) spezielle Privilegien. 1499 wurde der Stadt vom Fürsten der Magdeburger Recht gewährt. Minsk wurde von einem Stadtvogt regiert, der an der Spitze des Magistrats saß. Nur der Großfürst konnte einflussreiche Feudalherren zum Stadtvogt ernennen. Im 15. Jahrhundert begann der Bau der Troizker und Rakowskij Vorstädte. Um die Stadt wurden Festungsanlagen, Gräben und Dämme gebaut. Es bildete sich außerdem das neue Stadtzentrum am Oberen Markt, wo ein Rathaus aus Holz errichtet wurde. Das architektonische Gesicht der Stadt bestimmten die Wohnhäuser des Feudalherren, der Kaufleute und der reichen Handwerkern sowie verschiedene Klöster und Kirchen.
Im 15. Jahrhundert gehörte Minsk zu den 15 größten Städten des Großfürstentums Litauen, die Stadtbevölkerung betrug circa 5.000 Einwohner. Die Entwicklung der Stadt wurde in dieser Zeit allerdings immer wieder durch häufige Kriege, Brände und Epidemien zurückgeworfen.
Als Minsk im Jahr 1566 zum Zentrum der größten belarussischen Wojewodschaft (russisch für Verwaltungsbezirk) wurde, begann sich die Stadt weiter zu entwickeln und zu wachsen. 1591 bekam Minsk sein Wappen, auf dem die Himmelfahrt der Jungfrau Maria dargestellt ist. Das Wappen ist mit kleinen Veränderungen auch heute noch das Wappen der Stadt.
1657 kam der Jesuiten-Orden nach Minsk. Die Jesuiten bauten 11 Klöster mit daran angeschlossenen Schulen und Kollegien, mit deren Hilfe der Katholizismus verbreitet wurde.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts war die Stadt im Niedergang begriffen, da sowohl Russen als auch Schweden abwechselnd die Stadt belagerten.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, nach der zweiten Teilung Polens (1793), gehörte Minsk zum Russischen Imperium. Moskauer Beamte, Wissenschaftler und reiche Russen waren damals häufige Besucher. Diese Entwicklung wurde durch den französischen Russlandfeldzug von 1812 jäh unterbrochen. Auf dem Weg weiter gen Osten wollte Napoleon in Minsk einen wichtigen Stützpunkt für Proviant und eine Sammelstelle für Kranke und Verwundete einrichten, er ließ dafür zahlreiche Lager und andere Gebäude errichten. Nach der vernichtenden Niederlage verließen Napoleon und seine Armee die Stadt allerdings in einem erbärmlichen Zustand. Während der Belagerung hatte sich die Bevölkerung der Stadt stark dezimiert.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Bevölkerungszahl wieder bedeutend an. Die Wirtschaft entwickelte sich dynamisch, viele Unternehmen und Betriebe nahmen in dieser Zeit ihre erste Geschäftstätigkeit auf.
Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs wurde Minsk zur Frontstadt. Vor Ort waren zahlreiche Divisionen, Lazarette sowie der Generalstab der russischen Westfront stationiert.
Seit dem 1. Januar 1919 war Minsk Hauptstadt der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR). Obwohl Krieg und ausländische Interventionen der Stadt großen Schaden zugefügt hatten, hörte Minsk nicht auf sich zu entwickeln. In der Zwischenkriegszeit verdoppelte sich die Bevölkerungszahl, das Produktionsvolumen der örtlichen Betriebe vergrößerte sich um das vierzigfache.
Bereits am vierten Tag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa) im Juni 1941 war Minsk eingenommen. Kurz danach richteten die neuen Besatzer den Generalbezirk „Weiβruhtenien“ mit Minsk als Zentrum ein. Hier regierte der Generalkommissar Wilhelm Kube. Der rassenideologische Plan war es, 75 Prozent der belarussischen Bevölkerung zu vernichten um so Raum für deutsche Siedler zu schaffen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein intensiver Untergrundkampf geführt, der auch auf die von Befreiung Minsk am 3. Juli 1944 Einfluss hatte. Heute begeht man in Belarus den 3. Juli als den Tag der Unabhängigkeit. Die Stadt war nach dem Krieg fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht, so dass man zuerst den Plan verfolgte die Hauptstadt nach Mogiljow in den Osten des Landes zu verlegen beziehungsweise sie an einem Ort weiter östlich komplett neu zu errichten.
Man entschied sich dann aber doch sie an altem Ort wieder aufzubauen. Dies war eine Mammutaufgabe, an der Architekten and Arbeiter aus der gesamten Sowjetunion beteiligt waren. Deutsche Kriegsgefangene waren ebenfalls maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt.
Die neue Stadt wurde komplett am Reißbrett entworfen und architektonisch ganz im Stil des sozialistischen Realismus ausgerichtet. In ihrer architektonischen Stringenz ist die Minsker Innenstadt weltweit so wohl einzigartig und versprüht ihren ganz eigenen Charme.
Seit 1991 ist Minsk die Hauptstadt der unabhängigen Republik Belarus. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hat hier ihren Hauptsitz, außerdem sitzt der Gerichtshof der Eurasischen Wirtschaftsunion hier.
Minsk hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer modernen europäischen Hauptstadt entwickelt und wächst beständig, mittlerweile auf über 2 Millionen Einwohner. Jeder fünfte Belarus lebt somit in Minsk. Besonders auffallend war der Wandel 2014, als die Eishockey Weltmeisterschaft in Belarus stattfand.
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